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Testbericht

13. Januar 2014
München, 13. Januar 2014 - Die meisten Edelkarossen rufen bei Außenstehenden Neid hervor. Schließlich können viele von solchen Autos nur träumen. Einigen zu prunkeprotzig geratenen Luxusautos wird dagegen mit Abscheu begegnet. Wobei die sich in der Regel eher auf den Fahrer bezieht. Und dann gibt es Nobelgefährte, die flößen Respekt ein. Der Bentley Flying Spur ist so einer. Der Respekt wird in vielen kleinen Begebenheiten offensichtlich. Egal wo die Limousine vorfährt, sie sorgt stets für Aufmerksamkeit. Anstatt sich ihr aber in den Weg zu stellen, machen alle freundlich Platz. Wo man sonst durch penetrantes Dauerhupen darauf aufmerksam gemacht wird, dass man seit Minuten die Einfahrt zur Parkgarage blockiert, warten andere Fahrer jetzt geduldig, bis der Weg wieder frei ist. Und die Rangierarbeiten, die mit diesem 5,30-Meter-Koloss in der Stadt des Öfteren vonnöten sind, werden ebenso besonnen ertragen. Den direkten Kontakt meiden die meisten Beobachter allerdings. "Darf ich mal anschauen?" oder "Darf ich ein Foto machen?" hörten wir mit einem Rolls-Royce oder einem Ferrari häufiger. Ob das der Grund ist, warum Bentley einer der Hoflieferanten von Queen Elizabeth II. ist? Exklusivität als höchstes Gut Auch nach 15 Jahren Zugehörigkeit zum großen Volkswagen-Konzern hat Bentley seinen Ruf als kleine, feine Edelschmiede nicht eingebüßt. Obwohl die Produktion mittlerweile in nicht mehr ganz so homöopathischen Dosen wie einst erfolgt, gilt die Marke noch immer als Ausbund von Exklusivität. Die Käufer eines Flying Spur legen Wert darauf, etwas anderes zu fahren als die Limousinen der Autovermieter und VIP-Shuttles - also Audi A8, BMW 7er oder Mercedes S-Klasse. In der Tat schafft der Flying Spur eine ganz eigene Wohlfühlatmosphäre. Der Unterschied zur deutschen Luxuskonkurrenz ist in etwa wie der zwischen einem Edelanzug von der Stange und einem maßgeschneiderten Zwirn. Für die Maßanfertigung werden noch exquisitere Materialien verwendet, sie sitzt noch etwas akkurater und - vor allem - hebt sie sich durch ihre Einzigartigkeit von der Masse ab. Fast endlose Auswahl Bei Bentley spielen die Wünsche der solventen Kundschaft, die wohl selten mit dem Argument "Das ist mir aber zu teuer" kommt, eine übergeordnete Rolle. Entsprechend unermesslich scheinen die Möglichkeiten zur Individualisierung des Flying Spur: Allein über 100 Lacktöne und 14 Ledersorten stehen zur Wahl. Dazu kommt eine reichhaltige Auswahl an erlesenen Holzfurnieren, edlen Teppichen, verschiedensten Ziernähten, eingestickten Bentley-Logos und vielem mehr. Selbst technischer Schnickschnack ist zu haben. Wie wäre es mit einer 1.100 Watt starken Highend-Soundanlage samt separatem Subwoofer? Oder dem so genannten "Bentley Connectivity Unit" mit Internetzugang, fahrzeugeigenem WLAN-Hotspot sowie DVD-Anlage inklusive zwei Zehn-Zoll-Monitoren im Fond? Für die hintere Mittelkonsole kann sogar ein neun Liter fassendes Kühlfach geordert werden, damit der Champagner immer schön kühl bleibt.
Edles Ambiente und jede Menge Platz Damit die Käufer, die vorrangig aus Amerika und immer häufiger aus China und dem Mittleren Osten stammen, weiterhin bei Laune gehalten werden können, hat Bentley den seit 2005 gebauten Flying Spur nach 2009 ein zweites Mal überarbeitet. Auch wenn man es nicht sieht: Allein im Innenraum kommen 600 neue Teile zum Einsatz. Lediglich die Sonnenblenden, die Türgriffe, die Armlehnen und einige Schalter an der Armaturentafel wurden vom Vorgänger übernommen. Zehn Quadratmeter Holzfurnier werden jetzt verlegt, sogar die Türsäulen und der Dachhimmel sind mit Leder bezogen. Da der Flying Spur ein Auto zum selbst fahren und fahren lassen ist, wurden sowohl das Cockpit als auch der Fond äußerst großzügig und komfortabel gestaltet. Fahrer und Beifahrer nehmen auf bequemen Sesseln Platz, die sich diesen Namen redlich verdienen. 14 elektrisch steuerbare Verstellmöglichkeiten dürften es jedem ermöglichen, eine angenehme Sitzposition zu finden. Hinten stehen eine dreisitzige Rückbank oder zwei Einzelsitze zur Wahl. Das Platzangebot ist fürstlich, bequemes Reisen garantiert. Damit die Insassen möglichst wenig von den Fahrgeräuschen mitbekommen, wurde die Kabine rundum mit aufwendiger Akustikdämmung versehen. So ist der Fahrzeugboden mit speziell entwickelten Dämmelementen verkleidet, die Türen sind mit einer zusätzlichen Dämmschicht ausgestattet und alle Scheiben bestehen aus so genanntem Akustikglas mit einer geräuschreduzierenden Zwischenschicht. Kein "Continental" mehr im Namen Von vorne ist der Flying Spur mit seinem Vieraugengesicht weiterhin eindeutig als Mitglied der Continental-Familie zu erkennen, auch wenn gerade dieser Namensbestandteil aus der Typenbezeichnung getilgt wurde. In die Scheinwerfer sind jetzt LED-Tagfahrlichter integriert, der engmaschige Kühlergrill steht steiler als bislang und der untere Lufteinlass zieht sich nun einteilig über die gesamte Fahrzeugfront. Deutlicher emanzipiert sich der Flying Spur von Coupé und Cabrio durch die völlig umgestaltete Heckpartie. Die Rückleuchten sind stärker in die Breite gezogen, der Kofferraumdeckel sitzt niedriger und wirkt damit weniger wuchtig. Dadurch ist das Gepäckraumvolumen von 475 auf 447 Liter gesunken. Fast wie ein Sportwagen unterwegs Unter der Motorhaube des Flying Spur sitzt ein alter Bekannter, der doppelt aufgeladene W12 mit sechs Liter Hubraum. Er hat zum wiederholten Male eine Leistungskur erhalten, statt 560 stehen aktuell 625 PS zur Verfügung und machen das Auto somit zur stärksten Limousine, die Bentley je gebaut hat. Der äußerst harmonische Zwölfzylinder säuselt unter Normalbedingungen kaum vernehmbar vor sich hin und fügt sich damit perfekt ins Gesamtbild der luxuriös-gediegenen Nobelkarosse. Erst unter Volllast fängt die Maschine ein bisschen an zu knurren, was sie auch darf, wenn sie ihre maximal 800 Newtonmeter Drehmoment auf die Kurbelwelle schickt. Obwohl der Flying Spur im Vergleich zum Vorgänger 50 Kilogramm abgespeckt hat, bleibt er mit knapp 2,5 Tonnen weiterhin ein echtes Schwergewicht. Umso beeindruckender ist es, wie agil sich das Fahrzeug präsentiert. Zwar kommt der Brite aus dem Stand heraus etwas schwer in die Gänge, doch dann setzt sich der Koloss mit einer Vehemenz in Bewegung, dass es eine wahre Freude ist. Lediglich 4,6 Sekunden vergehen für den Spurt von null auf Tempo 100. Die 320 km/h Spitze erinnern eher an einen leichtfüßigen Sportwagen als an ein unhandliches Dickschiff.
Allradantrieb und Achtgang-Automatik Damit die unbändige Kraft auch sauber auf den Asphalt gebracht wird, verfügt der Flying Spur stets über einen Allradantrieb. Im Standardmodus werden 60 Prozent des Antriebsmoments auf die Hinter- und 40 Prozent auf die Vorderachse verteilt. Je nach Traktion können aber auch bis zu 85 Prozent nach hinten und maximal 65 Prozent nach vorne geschickt werden. Wie bereits bei allen anderen Continental-Geschwistern findet im Flying Spur nun ein Achtgang-Automat Verwendung, der den bisherigen Sechsstufen-Wandler ersetzt. Die Gangwechsel des neuen Getriebes erfolgen so geschmeidig und samtweich, dass sie kaum zu spüren sind, und zugleich äußerst flink. Offensichtlich weil es heute einfach dazu gehört, hat Bentley dem Wagen sogar Schaltwippen verpasst. Die braucht in solch einem Auto ehrlich gesagt kein Mensch, zumal wenn sie so groß und sperrig ausfallen wie hier. Dank Luftfahrwerk gleitet die Limousine über Bodenwellen geradezu hinweg. Querrillen könnten aber durchaus noch etwas besser ausgebügelt werden. Sie bleiben spürbar und werfen auf längeren Fahrten einen kleinen Schatten auf den Flying Spur, der in dieser Kategorie nicht mit der Mercedes S-Klasse mithalten kann. Etwas Abhilfe dürften die serienmäßigen 19-Zöller schaffen, die besseren Abrollkomfort versprechen als die 21-Zoll-Räder auf unserem Testwagen. 23.000 Euro teurer als bisher Respektable 191.590 Euro verlangt Bentley für den Flying Spur, das ist ein Aufschlag von über 23.000 Euro gegenüber dem Vorgänger. Aber für den Basispreis dürfte wohl kein einziges Auto verkauft werden, für die Individualisierung halten die Engländer die Hand noch einmal kräftig auf. Unser Auto etwa hatte Extras für etwa 35.000 Euro an Bord und war von einer Vollausstattung dennoch weit entfernt. Doch Geld dürfte für die exklusive Bentley-Käuferschaft wohl nur in den seltensten Fällen eine allzu große Rolle spielen. Ebenso wenig dürfte sie stören, dass die Edel-Limousine sich im Schnitt gut 20 Liter Super pro 100 Kilometer gönnt, rund fünf Liter mehr als vom Hersteller angegeben. Immerhin: Der Respekt des Tankwarts ist dem Flying Spur damit ebenfalls gewiss.
Technische Daten
Antrieb:Allradantrieb
Anzahl Gänge:8
Getriebe:Automatik
Motor Bauart:Ottomotor in W-Form mit Biturboaufladung
Hubraum:5.998
Anzahl Ventile:4
Anzahl Zylinder:12
Leistung:460 kW (625 PS) bei UPM
Drehmoment:800 Nm bei 2.000 UPM
Preis
Neupreis: 191.590 € (Stand: Januar 2014)
Fazit
Wer das nötige Geld hat und sich gerne aus der Masse der vor allem von deutschen Herstellern dominierten Oberklasse absetzen will, der wird mit dem neuen Bentley Flying Spur bestens bedient. Von außen ist die noble Limousine immer noch hübsch anzuschauen, das Interieur bietet genau den exklusiven Luxus, den sich die solvente Kundschaft wünscht. Der dezente und zugleich vor Kraft strotzende Zwölfzylinder sorgt in Kombination mit der neuen Achtgang-Automatik dafür, dass der Flying Spur auf dem Fahrerplatz noch etwas mehr Spaß macht wie als Passagier im Fond. + luxuriös eingerichtetes Interieur, fürstliches Platzangebot, trotz des hohen Gewichts erstaunlich agil - hoher Alltagsverbrauch, geschrumpfter Kofferraum, Querrillen deutlich spürbar
Testwertung
4.5 von 5

Quelle: auto-news, 2014-01-13

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