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Autoplenum, 2010-07-02

Mercedes CL 500 / CL 600 - Weißer Riese

Testbericht

Stefan Grundhoff

Eine S-Klasse ist Ihnen nicht exklusiv genug? Sie wollen aber trotzdem
nicht auf eine Luxuslimousine aus dem Hause Mercedes-Benz verzichten?
Dann gibt es nur ein Fahrzeug, das Ihr Herz erstrahlen lassen dürfte: der
Mercedes CL – kommt jetzt frisch überarbeitet.

Die Kundschaft des Mercedes CL ist alles andere als juvenil und hat den
Ruhestand nach überaus erfolgreicher Berufstätigkeit zumeist erreicht. Der
elegante Traumwagen aus deutscher Produktion ist Luxuslimousine und
Coupé zugleich. „Nicht einmal die Hälfte der Kunden least oder finanziert
den CL. Das gibt es sonst nirgends anders“, erklärt Produktmanager Frank
Steinacher die ungewöhnliche Kundschaft, „der CL ist ein besonders
emotionales Auto für die Kunden, die sich etwas gönnen möchten.“ Platz
für vier Personen, aller nur erdenklicher Komfort und zwei Türen – das ist
der Mercedes CL. Die Fünf-Meter-Yacht hätte im Rahmen der Modellpflege
an sich die Bezeichnung S-Klasse Coupé bekommen sollen. So sollte der
elitäre Nebendarsteller im Stuttgarter Modellprogramm näher an die
übermächtige S-Klasse herangerückt werden, die in Sachen Luxusklasse
weltweit nach wie vor als das Maß der Dinge gilt.

Doch die längst in trockenen Tüchern befindliche Änderung der
Nomenklatur wurde Ende vergangenen Jahres wieder rückgängig gemacht.
Sie dürfte trotzdem kommen – jedoch erst mit dem komplett neu
entwickelten Nachfolger, der mindestens bis 2014 auf sich warten lassen
dürfte. „Unser größter CL-Markt sind die USA mit einem Anteil von rund 40
Prozent“, berichtet Frank Steinacher, „mit einem Anteil von 70 Prozent ist
der 500er weltweit dabei besonders beliebt. Zehn Prozent fahren eine V12
und die restlichen 20 Prozent sind AMG-Versionen.“

Optisch hat sich der mächtige Mercedes CL durch die Modellpflege kaum
verändert. Eine leicht geänderte Front, die konturierte Motorhaube und ein
paar kleine Details sollen die finanzstarken Kunden bei Laune halten.
Luxus und Exklusivität bleiben selbstverständlich unangetastet. Preise
spielen in dieser Liga nicht einmal eine nebensächliche Rolle. Schließlich
heißt die Konkurrenz nicht 6er BMW oder Aston Martin DBS, sondern
Bentley Continental, Aston Martin DB9 oder Maserati Granturismo. Lange
Jahre hing Mercedes-Benz der Ruf an, den Anschluss in Sachen moderner
Antriebe verpasst zu haben. Doch die Unkenrufe sind fast vergessen; die
neue Generation der Move-Motoren hält mit der Modellpflege Einzug;
insbesondere auch bei dem Stuttgarter Luxus-Zweitürer. „Der CL ist der
ideale Botschafter unserer Marke. Er verbindet in besonderem Maße, was
Mercedes-Benz ausmacht: Faszination, Perfektion und Verantwortung. Und
mit der neuen Generation legen wir noch mal nach – gerade in Sachen
Effizienz. Aber auch bei Design, Sicherheit, Komfort und Leistung zeigt der
CL: Wo Mercedes ist, ist vorn.“

Eindrucksvoll sind die Veränderungen am kleineren der beiden Brüder, dem
CL 500. Leistete der aus 5,5 Litern Hubraum bislang durchaus stramme
388 PS, so muss der neu entwickelte Achtzylinder mit 4,7 Litern Hubraum
auskommen. Doch weniger Hubraum bedeutet zusammen mit
Direkteinspritzung und doppelter Turboaufladung ein deutliches
Leistungsplus. So stehen dem vermeintlich deutlich ergrauten Piloten des
über zwei Tonnen schweren Coupés nunmehr 320 KW / 435 PS und ein
gewaltiges Drehmoment von 700 Nm zur Verfügung. 0 auf 100 km/h in
unter fünf Sekunden und eine abgeregelte Höchstgeschwindigkeit von 250
km/h runden das Gesamtbild ab. Die Version mit Hinterradantrieb soll sich
trotz des imposanten Tatendrangs mit gerade einmal 9,5 Litern
Superkraftstoff auf 100 Kilometern zufrieden geben; ein Minus von 23
Prozent. Doch mehr Leistung und weniger Verbrauch haben
bekanntermaßen einen großen Nachteil. Zum Vorzugspreis ist hier nichts
zu erwarten – im Gegenteil.

So kostet die neue Generation des Mercedes CL 500 mindestens 118.346
Euro. Die meisten Kunden dürften jedoch die Souveränität und
Wintergeneigtheit des Allradantriebs zu schätzen wissen. Dann erhöht sich
der Preis auf mindestens 123.463 Euro. Ein CL wird trotz seiner
beeindruckenden Fahrleistungen nie ein Sportwagen werden. Doch die
Torque Vectoring Brake, ein gezielter Bremseingriff an den kurveninneren
Rädern, soll bei mindestens 435 PS wenigstens für etwas mehr Dynamik
sorgen. Kaum zu glauben, dass die Serienausstattung des CL 500 nicht
mehr als Mittelmaß entspricht. Selbst ein standesgemäßes
Navigationssystem ist für fast 120.000 Euro nicht serienmäßig an Bord.
Das gibt es nur beim Topmodell CL 600 ab Werk. Der Über-CL mit seinem
517 PS starken Zwölfzylinder bietet dem geneigten Kunden nochmals
einen satten Preisaufschlag. Unter 162.792 Euro ist nichts zu machen und
der Allradantrieb bleibt durch die Verwendung der alten Fünfgang-
Automatik wenig zeitgemäß außen vor. Das gilt aus dem gleichen Grund
auch für die neue entwickelte Start-Stopp-Automatik des Achtzylinders.

Doch mit mehr Motorleistung und insbesondere weniger Verbrauch dürften
sich die Kunden in den USA, Deutschland und Asien kaum in die schicken
Verkaufsräume locken lassen. Das soll nicht nur mit dem leicht geänderten
Design, sondern einem Komplettpaket an Assistenzsystemen gelingen. Mit
Verkehrszeichenerkennung, Abstandstempomat, Überholassistent oder
Spurwechselwarnung bietet der CL nun ein artgerechtes Paket – leider
jedoch ebenfalls nur gegen Aufpreis. Wird der Fahrer bei einem geplanten
Spurwechsel auf die Warnsignale des Fahrzeugs nicht aktiv, lenkt der CL
sanft zurück auf den rechten Weg. Wird der Seitenwind zu stark, greift die
aktive Wankstabilisierung ein und hilft dem Fahrer so auf Kurs zu bleiben.
Dass weitere Assistenten gegen den Müdigkeitsdrang des Piloten arbeiten
oder gemäß dem Gegenverkehr das Fahrlicht justieren, hätte noch vor
wenigen Jahren an ein Wunder gegrenzt. Der CL dürfte so das Zeug zum
sichersten Fahrzeug weltweit haben. Nur fahren muss der Pilot noch
selbst. Gut auszusehen dürfte im belederten und mit Holz verzierten
Innenraum von allein gelingen.

Quelle: Autoplenum, 2010-07-02