Abt R8 GT R im Test: 620-PS-Motorsportler für die Straße
Testbericht
Kempten, 20. August 2010 - Wir stehen mitten in der Kemptener Altstadt. Schnell bildet sich um uns herum ein Menschenauflauf. "Boah, schau mal!" und "Was ist das denn für ein Geschoss?" rufen uns die Passanten ins offene Fenster herein. Eigentlich wollten wir hier Fotos machen, doch das ist angesichts der Menschentraube kaum möglich. Fahrzeuge von Abt sorgen also auch in der Heimat des Tuners für große Aufmerksamkeit - zumindest wenn es sich um einen Boliden wie den R8 GT R handelt.
"Echtes Motorsport-Feeling" vermitteln
Dem ein oder anderen wird sich die Frage aufdrängen, warum man einen Supersportwagen wie den 525 PS starken Audi R8 5.2 FSI quattro überhaupt noch tunen muss. Hans-Jürgen Abt, der gemeinsam mit seinem Bruder Christian die Geschicke der Tuningschmiede leitet, betont, dass man auch dem Normalkunden "echtes Motorsport-Feeling" vermitteln möchte. Abt Sportsline ist seit Jahren mit eigenen Teams in Rennserien wie der DTM (Deutsche Tourenwagen-Masters) oder in der ADAC GT Masters vertreten, wo die Allgäuer aktuell zwei Audi R8 einsetzen.
Rennsitze, Überrollkäfig und mehr
Motorsport-Atmosphäre versprüht der R8 GT R bereits beim Einsteigen. In die Recaro-Rennsitze muss man zwar klettern, sie danken es aber mit perfekter Passform. Spätestens beim Anlegen der weißen Vierpunkt-Gurte fühlt man sich wie ein Profi-Rennfahrer. Der Überrollkäfig aus Edelstahl, das Karbon-Sportlenkrad sowie der Handfeuerlöscher machen mächtig Eindruck. Und der Blick in den Rückspiegel beweist, dass GT-R-Fahrer von hinten nur wenig Gefahr fürchten. Durch die neue Motorabdeckung hinter der Fahrerkabine lässt sich nämlich höchstens erahnen, was hinter dem Sportwagen so passiert.
Zurückhaltend oder brüllend
Beim Anlassen des Motors offenbart der 5,2-Liter-V10 dann erstmals akustisch sein Potenzial. Überraschend kommod lässt sich der GT R dennoch auf den ersten Metern durch die Stadt bewegen. Das Gaspedal ist nicht zu sensibel und bei behutsamer Fahrt wirkt auch die Geräuschkulisse fast schon bescheiden. Sehnsüchtig erwarten wir deshalb den Ortsausgang, um endlich richtig Gas geben zu können. Das Zurückschalten wird durch lautes Hicksen von programmierten Fehlzündungen garniert - und dann geht der R8 GT R richtig ab: Die klangliche Zurückhaltung weicht einem wütenden Brüllen, Fahrer und Beifahrer werden in ihre Sitze gedrückt und die Tachonadel schießt in kürzester Zeit nach oben.
In unter zehn Sekunden auf 200
Nur 3,2 Sekunden benötigt der allradgetriebene Supersportler für den Spurt von null auf Tempo 100, beim Serien-R8 sind es 3,9 Sekunden. Nicht einmal zehn Sekunden vergehen, bis der GT R 200 km/h erreicht hat. Das automatisierte Schaltgetriebe R tronic wechselt seine sechs Gänge selbstständig, alternativ kann der Fahrer über den Wählhebel oder über Wippen am Lenkrad die Steuerung übernehmen. Dies passiert dank Schaltzeitverkürzung äußerst zügig, aber nicht gerade sanft. Auch das gehört eben zu echtem Rennsport-Feeling.
Fast 100 PS zusätzlich
Um aus dem R8 5.2 TSI quattro den R8 GT R zu machen, haben die Spezialisten von Abt so einiges mit dem Fahrzeug angestellt. Statt der serienmäßigen 525 sind es nun gewaltige 620 PS, die der Zehnzylinder entwickelt. Gleichzeitig ist das Drehmoment von 530 auf 560 Newtonmeter gewachsen. Doch die "Äbte" setzen nicht allein auf mehr Power, sondern zusätzlich auf Leichtbau. Rund 100 Kilogramm spart der GT R im Vergleich zum Serien-R8 an Gewicht ein. Erreicht wird das durch eine Fronthaube, Schürzen, Türverkleidungen, einen (übrigens verstellbaren) Heckflügel sowie Außenspiegel, die allesamt aus Karbon gefertigt sind. Die Seitenscheiben bestehen nicht aus Glas, sondern aus Polycarbonat. Und die exklusiven 19-Zoll-Räder begnügen sich ebenso mit geringem Gewicht.
Liegt wie ein Brett auf der Straße
Das gemeinsam mit H&R entwickelte höhenverstellbare Sportfahrwerk lässt den GT R wie ein Brett auf dem Asphalt liegen. Durch Kurven kann man den Boliden selbst bei hohem Tempo hervorragend zirkeln. Die direkte Lenkung tut ihr Übriges dazu. Der Zweisitzer bleibt selbst bei Geschwindigkeiten über 250 km/h kerzengerade in der Spur. Bis zu 325 km/h schnell ist der getunte R8 - die Autobahnen rund um Kempten gaben es allerdings nicht her, dies auch nur annähernd auszuschöpfen. Um das Fahrzeug standesgemäß zu verzögern, packen Keramikbremsen von Audi fest zu. Abgesehen von modifizierten Belägen bleibt die Anlage unverändert.
Limitierte Auflage
Ein wenig Eleganz will der Pilot dann aber doch genießen: Armaturenbrett, Mittelkonsole, Dachhimmel und Heckablage sind rundum mit edlem Alcantara bezogen. Wer mit dem R8 GT R komplett ausgestattet auf die Rennstrecke will, kann sich passend zum Auto gleich noch den passenden Fahreroverall, Helm, Renn- und Handschuhe bestellen. Ohne diese Accessoires werden für den R8 GT R bereits stolze 343.910 Euro fällig. Das sind noch einmal gut 200.000 Euro mehr als für das R8-Serienmodell von Audi. Damit der Käuferkreis exklusiv bleibt, wird es vom GT R nur 25 Exemplare geben. Selbst in Kempten wird der Supersportler deshalb eine seltene und Aufsehen erregende Erscheinung bleiben. Zum Fotografieren sind wir dann übrigens auf den Hof eines Aluwerks gefahren. Das war in jeder Hinsicht die deutlich bessere Location. Doch auch hier verlagerten urplötzlich auffallend viele Arbeiter ihre Tätigkeiten in unmittelbare Nähe des GT R.
| Antrieb: | permanenter Allradantrieb |
|---|---|
| Getriebe: | automatisiertes Sechsgang-Schaltgetriebe R tronic |
| Motor Bauart: | Ottomotor in V-Form mit Benzindirekteinspritzung |
| Hubraum: | 5.204 |
| Anzahl Ventile: | 4 |
| Anzahl Zylinder: | 10 |
| Leistung: | 456 kW (620 PS) bei 8.100 UPM |
| Drehmoment: | 560 Nm bei 6.400 bis 7.000 UPM |
Der Abt R8 GT R vereint alle Merkmale, die einen 1a-Supersportler ausmachen: auffällige Außenhaut, brachiale Beschleunigung und super Straßenlage. Wer das wahre Potenzial des getunten Audi-Boliden erfahren will, sollte sich aber tatsächlich den Besuch einer Rennstrecke gönnen. Denn auf öffentlichen Straßen kann der GT R kaum zeigen, was in ihm steckt. Der Preis von über 340.000 Euro lässt den Tuning-R8 aber für die meisten wohl unerreichbar bleiben.






























