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Testbericht

Jürgen Wolff, 25. August 2009
Opel Caravan? Das klingt nach Rimini und Wackeldackel. Nach Kombis mit Nutzwert. Heute sind andere Qualitäten gefragt. Design und Style. Und deshalb heißt der Kombi des Insignia Sports Tourer.

Er hat die größte Klappe in der Kombiklasse. Nicht in der Breite oder der Höhe - wohl aber in der Tiefe: Runde 40 Zentimeter weit muss man einen Sprudelkasten lupfen, bis man ihn endlich auf dem Filz im Kofferraum abstellen kann. Bis dahin: ein in Wagenfarbe lackierter ausladender Stoßfänger und zwei auf Hochglanz polierte Alu-Blenden, auf denen man sehr schnell jeden Kratzer sieht. Life Style ist schön - aber nicht unbedingt praktisch. Für diese Erkenntnis ist Opels Kombi ein Paradebeispiel. Kombis von Opel hießen früher "Caravan". Jetzt heißen sie "Sports Tourer". Wie Kombis heute eben so heißen: "Sportwagon" bei Alfa, "Sportback" bei Audi oder "Tourer" bei Citroen etwa. Bloß nicht mehr als biederer Lastenesel gelten, mit dem der Bäcker morgens die Brötchen ausliefert oder der Herr vom Schlüsseldienst seine Werkstatt herumfährt. Das gewerbliche Alltagsgeschäft erledigen heute Pragmatiker wie Berlingo, Kangoo oder Dacia Logan Kombi. Der Nachfolger des spießigen Opel Vectra Caravan soll heute nicht mehr Farbkübel und Aluleitern transportieren, sondern vor allem ein Lebensgefühl.

Und das tut der Insignia Sports Tourer perfekt. Wie schon die Limousine bringt er ein gefälliges und eigenständiges Stück Design auf die Straße - ein massenkompatibles außerdem. Das zeigen nicht zuletzt die explodierenden Verkaufszahlen. Der Insignia ist technisch (fast) auf der Höhe der Zeit - mit Kurvenlicht und Xenon-Leuchten, mit LED-Tagfahrlicht, selbstständig schaltendem Fernlicht und auf Wunsch einem solchen Heer weiterer moderner Hilfssysteme, dass man besser wirklich die Bedienungsanleitung durcharbeitet. Bald soll es für ihn auch eine automatische Verkehrszeichenerkennung geben. Was ihm allenfalls als i-Tüpfelchen noch fehlt sind Feinheiten wie eine Abstandsautomatik beim Tempomat. Dazu kommen eine edle und (fast) perfekte Verarbeitung, griffige Materialien, angenehme Farbkombinationen, ordentlich viel Platz für die Passagiere. "Fast" perfekt ist er deshalb, weil es immer wieder unnötige kleine Patzer gibt, die den ansonsten rundum positiven Eindruck ein wenig trüben. Die Rückleuchten innen zum Beispiel, die dann im Dunkeln nach hinten strahlen, wenn die regulären Leuchten zusammen mit der Heckklappe nach oben schwingen. An sich eine klasse Idee - nur waren sie im Testwagen so schlecht eingepasst, dass man sie beim Anfassen sofort in der Hand hatte. Auch, wenn das speziell an diesem einen Modell gelegen haben mag und bei anderen Insignia-Kombis nicht nachvollziehbar war: Bei einem Tachostand von 1000 km sollte das nicht nötig sein.

Oder bei Konzept und Bedienung. So lässt sich der Bordcomputer zwar praktischerweise über mehrere Regler redundant bedienen - aber Knöpfe für die gleichen Funktionen sind zum Teil unterschiedlich benannt und verschiedene Funktionen lassen sich nur an jeweils einem der Knöpfe aufrufen - das ist zumindest unnötig verwirrend. Dem Zeitgeist und der flotten Optik hat Opel im Vergleich zum Vorgänger noch mehr geopfert von dem, was die Marktanalysten als nicht mehr so wichtig ausgespäht haben. Die Zuladung von 555 kg ist auch für einen Kombi ordentlich. Und von außen sieht der Insignia Sports Tourer so aus, als ob er für die halbe Tonnage reichlich Platz hätte. Doch das Laderaumvolumen von 540 Liter liegt unter dem etwa des Ford Mondeo Turnier und sehr deutlich unter den 588 Liter des VW Passat Variant. Und selbst bei umgeklappter Rückbank liegt der Insignia mit seinen 1510 Litern noch sehr deutlich hinter Mondeo (1754 Liter) oder Passat (1731 Liter). Geschuldet ist auch das wieder der schönen Form: Die nach hinten schwungvoll abfallende Dachline verleiht ihm zwar einen Hauch von Coupé, verkleinert aber nun mal auch den Luftraum im Frachtabteil. Und die dicken Seitenwände, in denen die Radkästen verschwinden, tun ein übriges.

Eine weitere Folge davon, dass die Designer des Insignia die Funktionalität immer wieder der Form untergeordnet haben, ist auch die sehr bescheidene Übersichtlichkeit vom Fahrersitz aus. Wo er anfängt, wo er aufhört kann man dank der runden "Ecken" nur erahnen - nicht aber wirklich sehen. Nach schräg hinten ist auch nur wenig zu erkennen. Und der Rückspiegel innen nutzt spätestens dann nicht mehr viel, wenn hinten alle Kopfstützen aufgestellt sind. Die optionalen Parksensoren sollten also gleich mit bestellt werden. Was der Mittelklasse-Kombi gegenüber seinem Vorgänger an puristischem Nutzwert verloren hat, das hat er an Langstreckentauglichkeit und Komfort gewonnen. Einmal quer durch die Republik? Im Insignia kein Problem. Die Sitze sind bequem und straff, geben einen guten Seitenhalt. Lenkrad und Fahrersitz lassen sich optimal aufeinander einstellen - auch groß gewachsene haben kein Problem. Nur die Gurtschlösser sind etwas fummelig eng zu erreichen. Hinten geht es zwar knapper zu, zwei Erwachsene überstehen aber auch dort lange Touren gut. Die 6-Gang Handschaltung flitzt präzise, mit wenig Kraftaufwand und kurzen Wegen durch die Kulisse. Der Geräuschpegel ist innen selbst bei höherem Tempo angenehm leise. Das Fahrwerk hält den Rüsselsheimer agil und sicher auf der Straße, die Federung bügelt Unebenheiten zuverlässig weg.

Der lange Radstand sorgt mit für einen nahezu perfekten Geradeauslauf und das fein eingestellte ESP dafür, dass es auch sicher um die Kurven geht. Die Lenkung arbeitet präzise und nahezu ohne Einflüsse der Antriebsachse - ist aber zu gefühllos und dürfte deutlich direkter sein. Zum Langstreckenkomfort trägt auch der 2,0-Liter-Dieselmotor bei. Mit seinen 118 kW/160 PS und einem maximalen Drehmoment von 350 Nm reicht er völlig aus, um die rund 1,7 Tonnen Leergewicht in jeder Situation flott voran zu treiben. Bei 212 km/h ist Schluss mit Vortrieb, den Spurt aus dem Stand auf 100 km/h schafft er laut Werk in 9,9 Sekunden - gefühlt kommt das gut hin. Dass ein Diesel vorne unter der Haube arbeitet, merkt man akustisch nur im Leerlauf und kurz beim Kaltstart. Im Geldbeutel merkt man es an der Tankstelle. Die 6,0 Liter, die Opel als Durchschnittsverbrauch angibt, sind im Alltag wie gewohnt zwar nicht zu schaffen - aber der Testwert lag mit 6,9 Liter noch in einem sehr guten Bereich. Eingestuft ist der Motor mit Euro-5. In der Basisversion verlangt Opel für den bereits ganz ordentlich ausgestatteten Insignia Sports Tourer ab 31.095 Euro - knapp 3000 Euro mehr als 2007 ein zumindest von der Leistung her vergleichbarer Opel Vectra Caravan gekostet hat. Sieht man den Gewinn an Komfort, Qualität und Ausstattung, dann ist das ein fairer Preis. Und dass der Insignia-Kombi mittlerweile vom Preis her mit Konkurrenten wie dem Ford Mondeo oder dem VW Passat in etwa auf einer Ebene liegt, zeigt das neue Selbstbewusstsein der Rüsselsheimer deutlich. Zu recht.

Quelle: Autoplenum, 2009-08-25

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