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Testbericht

Jürgen Wolff, 24. Mai 2009
Normalerweise gehören eine Tropfsteinhöhle oder ein Schaubergwerk zu den Attraktionen rund um Reifnitz. Und natürlich der Wörthersee. Aber einmal im Jahr ist alles anders: Die GTI-Fans feiern sich und ihre Autos.

Der Seufzer ist Weiß auf Glas an der Heckscheibe eines alten Golf GTI zu lesen: "Wörthersee - endlich normale Leute". Alles eben eine Frage des Blickwinkels. Mag über der Autoindustrie der Pleitegeier kreisen und die abwrackprämienfixierte Verwandschaft jedes Auto mit mehr als 75 PS für Teufelszeug halten - zumindest über das verlängerte Himmelfahrts-Wochenende durften sich die Tüfftler und Schrauber, die Fans von qualmenden Reifen, hochglanzpolierten Chromfelgen und Autoradios mit Basslautsprechern so groß wie Autoräder wieder einmal unter ihresgleichen fühlen. Unter "Normalen" eben: GTI-Treffen in Reifnitz ist angesagt - der See ruft.

Allein an Christi Himmelfahrt sind es nach Schätzung der Veranstalter rund 40.000, die diesem Ruf gefolgt und aus halb Europa angereist sind. Über alle Tage hinweg dürften es wieder an die 200.000 werden.

Die Autoshow am Wörthersee erstreckt sich bis in den letzten Winkel des ansonsten eher beschaulichen Ferienorts. Über Reifnitz liegt vier Tage lang eine Wolke aus Benzin, Schweiß und Gummiabrieb. Und eine Geräuschglocke von wummernden Technobeats, johlenden Fans und heulenden Motoren. Zum 28. Mal sind die Straßen der Seegemeinde zu Laufstegen geworden, auf denen die Fans stolz ihre liebevoll hochgerüsteten und polierten Schätzchen vorführen. Wobei von "Lauf"-Steg meist nur bei den Fußgängern die Rede sein kann - die Autos stehen mehr im Dauerstau als dass sie rollen.

Das ist ganz praktisch. Denn so haben die Zuschauer, die sich zwischen den Autos durchwinden, genügend Zeit und Gelegenheit, um Fotos zu machen, mit den Fahrern zu fachsimpeln oder ihnen durch die offenen Seitenscheiben auch schon mal anerkennend auf die Schulter zu klopfen. Wer nicht läuft, der sitzt zusammen mit seinen Kumpels ganz entspannt auf Klappstühlen am Straßenrand und begrüßen jedes vorbeirollende Auto mit der Bierflasche in der Hand. Oder er hat sich zur Abkühlung an diesem 30 Grad heißen Frühsommertag gleich mit Tisch und Stuhl ins Bachbett am Straßenrand zurückgezogen.

Nicht alles, was sie hier in Reifnitz zu sehen bekommen, ist die hohe Kunst des Tunings. Aber über Geschmack läßt sich nun mal streiten. Anerkannt wird vor allem erst einmal die Leistung - zur Not auch die grauslige. Auf dem Parcours am See kann sich jedes Schrauber-Ego austoben. Auspuffrohre dick wie Oberarme und auch schon mal als Audi-Logo, Flügeltüren und verchromte oder hochglanzlackierte Motorblöcke, im Leder gefaßte Abluftkrümmer, vergoldete Tankverschlüsse und Armaturenbretter - hier steckt viel Aufwand, Kreativität und Arbeitseinsatz. Wer noch Material zum Basteln braucht, der wird sicher an einem der vielen Verkaufsstände fündig.

Denn so viel Spaß das alljährliche Treffen allen macht - seine Unschuld hat es darüber längst verloren. Rund zehn Millionen Euro lassen die Fans in der Gemeinde und dem Umland, sagt Bürgermeister Adolf Stark. Und nicht erst seit diesem Jahr ist es auch kein reines Treffen der Golf GTI-Fraktion mehr. Mittlerweile trauen sich auch die Fahrer von 3er-BMW hier auf die Flaniermeile, werden restaurierte Käfer und VW-Busse vorgefahren und scharen sich die Zuschauer um vereinzelte Exemplare von Dodge Viper, Lamborghini oder Dodge Avenger. Für den VW-Konzern hat sich das Treffen in den vergangenen Jahren zu einer Art inoffizieller Hausmesse entwickelt, auf der man nicht mehr nur die sportliche Produktpalette aus Wolfsburg präsentiert. Mittlerweile fällt der Stand von Audi größer aus als der von Volkswagen. Und auch Seat ist zumindest schon mal mit einem Show-Truck angerückt.

Wie hoch VW das Treffen einschätzt, lässt sich nicht nur daran ablesen, dass VW und Audi jeweils stark umlagerte Sondermodelle von Golf GTI, Polo GTI und Audi Q5 mit an den See gebracht haben, die unter dem Label "Wörthersee" laufen. Auch die Konzernspitze ist bestens vertreten. Ferdinand Piëch ist zusammen mit seiner Gattin Ursula angereist. VW-Chef Martin Winterkorn hat den Wolfsburger OB Rolf Schnellecke mitgebracht. Und alle klatschen mit zum zum Takt der Musik von Stargast DJ Ötzi. Ein Schelm, der bei so viel demonstrierter Eintracht Böses denkt - nur weil gerade hinter den Kulissen der Kampf um die künftige Führungsrolle in einem fusionierten VW-Porsche-Konzern tobt. Ein paar hundert Meter weiter interessiert all das keinen mehr. Auf dem "Gummiplatz" des Felgenherstellers BBS geht es deutlich weniger subtil zu. Hier ist die Hauptbühne aufgebaut und Party angesagt. Unter anderem. "Gummi Gummi Golf32" heißt der Publikumsrenner: Ein schon ziemlich ramponierter Golf II radiert so lange mit durchdrehenden Vorderreifen den Asphalt, bis man vor lauter Gummi-Qualm kaum noch etwas sieht und die Reifen endlich mit einem lauten Knall und unter lautstarkem Beifall platzen.

Was auf dem "Gummiplatz" zur Show gehört, kommt ein paar Meter weiter auf öffentlicher Straße einige Fans teuer: Die Polizei kassiert rund um den See munter ab. Je nachdem, wie viel Rauch die radierenden Reifen produzieren, werden zwischen 75 und 100 Euro fällig. Noch nie seien so viele Burnout-Sünder fällig gewesen wie in diesem Jahr, heißt es bei der Polizei. Abkassiert wird vor allem aber wegen Temposünden. "Wir haben dieses Jahr rund 30 Prozent mehr Anzeigen wegen Schnellfahrens", sagt Polizeisprecher Rainer Dionisio. Alles in allem aber ist die Polizei mit ihrer Klientel sehr zufrieden: "Es ist heuer deutlich ruhiger", heißt es in der offizielle Zwischenbilanz: Zwei Verkehrsunfälle mit zwei Leichtverletzten, keine größeren Schlägereien und nur 21 wegen Alkohol eingezogene Führerscheine. Lauter normale Leute eben.

Quelle: Autoplenum, 2009-05-24

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