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Autoplenum, 2010-04-24

Toyota FCHV-adv - Gastspiel mit Brennstoffzelle

Testbericht

Susanne Kilimann

Im aktuellen Rummel um die Pioniere der Elektromobilität ist die
Brennstoffzelle etwas aus dem Blickfeld geraten. Doch das Wasserstoff
basierte Antriebssystem hat klare Vorzüge, meint man bei Toyota und
schickt derzeit zwei Brennstoffzellen-Botschafter auf Deutschland-Mission.

Die Total-Tankstelle an der Berliner Holzmarktstraße hat eine extrabreite
Produktpalette. Neben konventionellen Kraftstoffen sind Bio-Erdgas,
Autogas und Strom im Angebot - und jetzt kann aus zwei Zapfsäulen
auch „H2“, also Wasserstoff, gezapft werden. Der ist in flüssigem oder
gasförmigem Zustand abgabebereit und lässt sich mit einem Druck von
350 oder 700 bar in die Fahrzeugtanks leiten. Schon jetzt könnten hier
pro Tag fünf Busse oder 50 Autos ihre Wasserstofftanks auffüllen.
Tatsächlich rechnen die Tankstellenbetreiber aber erst einmal mit
maximal zehn Kunden an ihren neuen, silber-blauen H2-Zapfsäulen -
schließlich ist das Zeitalter der Wasserstoffmobilität derzeit noch ein
Zukunftsszenario. Mehr als einige wenige Wasserstoffbusse der
Verkehrsbetriebe und ein paar Dutzend Vorserien-Fahrzeuge
verschiedener Hersteller sind auch in Berlin noch nicht am Start.

An diesem kühlen Apriltag hat Toyota zwei stattliche SUV in die Berliner
Holzmarktstraße geschickt. Die Fahrzeuge haben bereits einige Tausend
Testkilometer in den USA zurückgelegt. Jetzt sollen die komfortablen
Dickschiffe, bei denen nichts als Wasserdampf aus dem Auspuffrohr
entweicht, auch in Deutschland Eindruck schinden. Denn wenn es nach
den Japanern ginge, könnte das Zeitalter der mit Wasserstoff betriebenen
Brennstoffzellenfahrzeuge schon in wenigen Jahren beginnen. Ab 2015,
heißt es bei Toyota, könnten Berennstoffzellenautos in Serie gehen –
wenn der Markt, wenn der Verbraucher, wenn die Politik dies wünscht
und wenn die Weichen durch entsprechende Infrastrukturmaßnahmen
auf H2-Kurs gestellt werden.

Die SUV, die Toyota seit zwei Jahren unter dem Kürzel FCHV-adv in
kleinen Testflotten laufen lässt, verfügen bereits über eine beachtlich
Portion Alltagstauglichkeit. So sollen die ungünstigen
Kaltstarteigenschaften früherer Brennstoffzellen-Vehikel Vergangenheit
sein. Durch eine optimierte Anordnung der Elemente vereist die
Polymer-Elektrolyt-Membran, das Herzstück der Brennstoffzelle, auch
bei minus 30 Gran Celsius nicht mehr. Sogar am kältesten Tag des
vergangenen deutschen Super-Winters habe man die Testfahrzeuge bei
minus 37 Grad verlässlich starten können, beteuert Toyotas Technik-
Experte Dirk Breuer.

Mehr als zehn Jahre Erfahrung mit dem elektrischen System des Prius
haben offenbar auch die Sicherheit der Brennstoffzelle mit großem
Schub nach vorn gebracht. Im Falle einer potenziellen Gefährdung
werden bei Prius & Co alle Hochspannungskomponenten unmittelbar
abgekoppelt. Bei den Brennstoffzellenautos ist zudem ein ganzes
Arsenal an Sensoren an Bord, die austretenden Wasserstoff
"erschnüffeln" können, worauf die Sicherheits-Abkopplungen
eingeleitet werden.

Auch in punkto Reichweite haben die Japaner mit ihrer zweiten FCHV-
Generation deutliche Fortschritte erzielt. Musste das Vorgängermodell
noch alle 350 Kilometer einen Tankstopp einlegen, so kommt FCHV- adv
mit einer Tankfüllung 600 Kilometer weit. Das Plus geht auf die Rechnung
der neuen Hochdruck-Wasserstofftanks, die mit 700 bar statt wie bisher
mit 350 bar befüllt werden, so dass sich das Fassungsvermögen von 148
auf 156 Liter vergrößert hat.

Zudem verbraucht die aktuelle Version des Brennstoffzellenfahrzeugs
rund ein Viertel weniger Wasserstoff als das Vorgängermodell. Bei der
Effizienzsteigerung profitieren die Toyota-Entwickler vom Know-how,
das sich der Konzern inzwischen bei der Entwicklung von
konventionellen Hybridautos – solchen also, die einen Elektro- und
einen Verbrennungsmotor an Bord haben - angeeignet hat. Das
Wasserstofffahrzeug FCHV- adv arbeitet ebenfalls mit einen Hybrid-
Antriebsstrang. Auch hier liefern verschiedene Kraftspender mal
einzeln, mal im Verbund, die benötigte Antriebsenergie. Nur mit dem
Unterschied, dass ein sogenannter Brennstoffzellen-Stapel an die Stelle
des Verbrennungsmotor getreten ist. Beim Anfahren und bei niedriger
Geschwindigkeit bedient sich der 90 kW / 122 PS starke Elektromotor
des Toyota-SUV direkt aus der Nickel-Metall-Hybridbatterie. Wenn mehr
Energie benötigt wird, etwa bei starken Beschleunigungsmanövern,
liefern Batterie und Brennstoffzelle gemeinsam den Strom fürs
Elektroaggregat und ist der Wagen dann mit gleichmäßiger, höherer
Geschwindigkeit unterwegs, versorgt allein die Brennstoffzelle den E-
Motor mit Antriebsstrom. Es gibt noch weitere Parallelen zwischen dem
Brennstoffzelenhybrid FCHV-adv und den Verbrennungsmotor-
Hybridfahrzeugen. Beide Antriebssysteme nutzen die kinetische
Energie, die im Schiebebetrieb und beim Bremsen freigesetzt wird.
Statt wie bei herkömmlichen Verbrennern ungenutzt als Abgaswärme
zu entweichen, wird sie von den Hybriden in elektrische Energie
umgewandelt, in der Batterie gespeichert und dem Motor für seine
Dienste beim Anfahren oder Beschleunigen wieder zur Verfügung
gestellt.

Mit einem Drehmoment von 260 Nm gibt sich FCHV-adv souverän auf
den breiten Alleen der Hauptstadt. Wäre die Autobahn frei, könnte das
SUV hier mit Tempo 150 sprinten – allein der Freiraum für die Probe
aufs Exempel fehlt auf dem stadtnahen Asphalt. Dass das
Brennstoffzellenkraftwerk sein Leistungsvolumen auf Jahre und
Jahrzehnte behielte, wäre fraglos wünschenswert. Tatsächlich aber
büßt das System im Laufe der Zeit kontinuierlich Leistung ein. So
werden nach fünf Jahren nur noch etwa 95 Prozent, nach 15 Jahren
noch 80 und nach 25jähriger Betriebsdauer nur noch gut 70 Prozent
der ursprünglichen Leistung erreicht, haben Toyota-Berechnungen
ergeben. Damit stehe die Brennstoffzelle im Vergleich zum reinen
Elektrofahrzeug aber immer noch glänzend da, betont der Autobauer.
Derzeit gebe es keine wie auch immer geartete Batterie, die eine auch
nur annähernd vergleichbare Lebensdauer vorzuweisen habe. Weil das
System Brennstoffzelle außerdem nicht mit langen Ladezeiten,
geringen Reichweiten und den Gewichtsproblemen zu kämpfen hat,
könnte der Antrieb mit Wasserstoff zumindest eine sinnvolle Ergänzung
zur eher für den Kurzstreckenbetrieb geeigneten Elektromobilität sein,
ist man bei Toyota überzeugt.

Die Erzeugung von Wasserstoff ist allerdings noch immer aufwendig und
teuer. Schwer kalkulierbar sind daher die Kosten, die auf künftige
Wasserstoff-Kunden zukommen werden. Momentan kostet das Kilo H2 an
der Berliner Holzmarktstraße acht Euro, ein volle Tankladung für den
FCHV-adv gibt es damit für etwas mehr als 50 Euro. „Aber das ist ein
politischer Preis“, sagt Carsten Retzke, der sich bei der Total Deutschland
GmbH um das Projekt Wasserstoff kümmert. Im Rahmen des auf
mehrere Jahre angelegten „Clean Energy Partnership“-Pilotprojekts wird
Wasserstoff zur Zeit hoch subventioniert. Welchen Kurs die Politik in den
kommenden Jahren fahren wird, ist ungewiss.

Zum grünen Treibstoff wird H2 nur dann, wenn der Strom zur
Wasserstofferzeugung durch regenerative Energien wie Sonne und Wind
gewonnen wird. Eine kleine Photovoltaikanlage hat sich die Berliner
Tankstelle daher schon mal in den Vorgarten gesetzt. Vor allem um
interessierten Zeitgenossen vorzuführen, was alles möglich wäre. In
Deutschland allerdings könne die Sonne dem Wind zumindest bei der
Energieerzeugung in großem Stil und zu vertretbaren Kosten nicht das
Wasser reichen, meint Retzke. Deshalb wollten die Betreiber der Projekt-
Tankstelle auch Windtürme auf ihrem Grundstück an der Holzmarktstraße
errichten. Soviel Innovationseifer wurde jedoch von den Behörden
zunächst einmal abgebremst. Draußen, vor der Stadt, lassen sich die
unkonventionellen Ideen schon leichter verwirklichen. Am künftigen
Großflughafen Berlin Brandenburg soll es ab Herbst 2011 eine Co2-
neutrale Tankstelle geben, die den Strom für die Herstellung von
Wasserstoff im eigenen Windpark erzeugt.

Quelle: Autoplenum, 2010-04-24
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