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Testbericht

Patrick Broich/SP-X, 9. November 2016

Der BMW 2002 Turbo ist heute ein gefragter Oldtimer. Ein bisschen kann man es nachvollziehen, sogar wenn man selbst überhaupt nicht auf sein optisches Prollwerk steht: Denn die damals mit 4,22 Metern noch recht zierliche Mittelklasse war noch vor dem Porsche 911 mit Aufladung versehen worden. Die Spitzenversion war somit der erste Serienturbo. Mit bescheidenen (aus heutiger Sicht) 125 kW/170 PS war der fetzige 02 früher ein richtiger Herzensbrecher für Autofans inmitten der Ölkrise.

Kein Wunder, der Hecktriebler gerierte sich mit einer Tonne Lebendmasse als richtige - Verzeihung - Drecksau und tut es noch immer. Ungefiltert, wild und ungestüm schiebt das Fliegengewicht gen Horizont, die Reifen rauchen, wenn man den Gashebel nur tief genug niederdrückt. Auch lenken kann man übrigens mit dem rechten Pedal, da sollte man aber schon geübt sein. Denn sonst katapultiert man sich schneller in den Graben als einem lieb ist – bei einem Auto, das selbst im Zustand „Drei“ noch mit fast 50.000 Euro Marktwert dotiert ist, keine sonderlich gute Idee. Verrückt irgendwie, dass der 02er Turbo gemäß Herstellerangabe eher langsame acht Sekunden von 0 auf 100 km/h benötigen soll, tatsächlich fühlt er sich viel schneller an und macht auch mehr Spaß, als die Werte vermuten lassen.

Dagegen ist das exklusiv anmutende 4er Gran Coupé ein ganz anderer Charakter. Das beginnt schon mit der Größe – der Viertürer mit den rahmenlosen Scheiben misst 4,64 Längenmeter und steht damit sinnbildlich für das Wachstum, das seit den Siebzigern in vielen Bereichen stattgefunden hat. Das Wachstum der Menschen, das Wachstum der Wirtschaft und analog dazu das Wachstum der Autosegmente.

So unkonventionell und andersartig das Konzept der viertürigen Coupés übrigens anmutet – neu ist es nicht gerade. Schon Rover brachte mit dem P5 1958 ein solches Coupé auf den Markt. Mercedes war der erste Autohersteller, der das Konzept in der automobilen Neuzeit mit dem ersten CLS (2004) wieder neu auflegte, während BMW bereits seit geraumer Zeit gleich mit zwei Segmenten vertreten ist, dem Vierer nämlich und dem noblen Sechser. Dem rauen Revolutionsführer 02 Turbo kann man nur etwas entgegensetzen, was das veränderte Gesellschaftsbild widerspiegelt. Bei ihm handelt sich nämlich um eine automobile Klasse, die es schlichtweg nicht mehr gibt. Ein M4 wäre der konsequente Vergleichspartner, aufmüpfig und wild zwar, aber eben selbst inzwischen ein Teil der Bourgeoisie, von wohlverdienenden Anzugträgern gefahren, die gerne mal am Wochenende auf den Kurs gehen. Und die heutige 2er-Reihe ist formal eben eine darunter rangierende Kompaktklasse.

Dann doch lieber den feinen und zivilen Gegenpol alias 440i, der fies aus dem Hinterhalt schießt. Der 440er ist halt nur ein vordergründig biederes Auto, das es tatsächlich auch mit offenkundigen Sportlern aufnehmen kann. Ebenfalls mit Aufladung ausgerüstet, bringt es der Dreiliter-Reihensechszylinder auf 240 kW/326 PS. Zwei Auspuff-Endrohre, jeweils eines links und rechts, zeigen dem Kenner, dass hier durchaus Muskeln unter der ästhetisch gewölbten Motorhaube spielen. Gerade mal 5,1 Sekunden soll sich der Bayer für den Standard-Sprint genehmigen – und klar, die Topspeed ist bei 250 Sachen begrenzt. Nur vollzieht sich die Beschleunigung hier völlig unspektakulär.

Natürlich presst der Hecktriebler seine menschliche Fracht in die sportiven Ledersitze, während die Tachonadel stramm über die Analogskala marschiert und es dezent grummelnd aus Richtung Bug tönt. Die Faszination besteht jedoch weniger in der Hektik als eher darin, wie souverän der leidenschaftlich klingende Benziner Langstrecken frisst und trotz drahtiger Einlagen und straffer Fahrwerksausrichtung einen recht hohen Gesamtkomfort bietet.

Komfort? Eine Disziplin, auf die der alte Turbo pfeift. Der Oldie mit den drei Rundskalen samt Drehzahlmesser fährt so ungehobelt wie er aussieht. Er versetzt bei hohen Autobahntempi, rumpelt über Wellen, aber macht trotzdem Spaß. Wenn der Lader jenseits der 4.000 Touren einsetzt und den Insassen ins Kreuz tritt, ist der E20 in seinem Element. Sparsam ist er übrigens nicht mit 14 Litern je 100 Kilometer. Heute, da er allenfalls als Gelegenheitsauto dient, ist das nicht so tragisch, zu Ölkrisen-Zeiten war dieser BMW natürlich reichlich unangepasst.

Das Platzangebot ist begrenzt, die Stühle sind nicht allzu bequem und nachdem man ihn durch die Ecken gescheucht hat, sollte man ihn tunlichst noch nachlaufen lassen zwecks Verschleißreduktion, denn so ein alter Turbolader lechzt nach Kühlung. Lediglich etwas mehr als 1.600 Exemplare wurden vom 02 Turbo gebaut, gerade das macht ihn heute so begehrt. Kein Wunder, dass für richtig gute 2002 Turbos mit den breiten Kunststoff-Backen sechsstellige Beträge aufgerufen werden. Dagegen ist der viel schnellere, aber ruhigere 440i als Gran Coupé mit einem Basispreis von 52.150 Euro ein richtiges Schnäppchen.

Unser, leider unerfüllbarer, Wunsch: Das Gran Coupé als souveränes Alltagsauto und den 02 Turbo als Spaß für freie Schönwetter-Tage. Eine Probefahrt lohnt sich allemal – in beiden Fällen, versteht sich.

BMW 2002 Turbo – Technische Daten:
Sportlimousine der Mittelklasse (Bauzeit 1973 bis 1974), Länge: 4,22 Meter, Breite: 1,62 Meter, Höhe: 1,41 Meter, Radstand: 2,50 Meter
2,0-l-Vierzylinder-Benziner mit Kugelfischer-Einspritzung und Turboaufladung, 125 kW/170 PS, maximales Drehmoment: 240 Nm bei 4.000 U/min, Fünfgang-Schaltgetriebe, Vmax: 210 km/h, 0-100 km/h: 8 s, Durchschnittsverbrauch: 14 l/100 km (Drittelmix)
Ehemaliger Neupreis (1973):  ab 18.720 DM
Heutiger Marktpreis nach Classic Data
Note 1:  82.500 Euro
Note 2:  65.000 Euro
Note 3:  47.500 Euro

BMW 440i Gran Coupé – Technische Daten
Viertüriges Coupé der Mittelklasse, Länge: 4,64 Meter, Breite: 1,83 Meter, Höhe: 1,39 Meter, Radstand: 2,81 Meter
3,0-Liter-Sechszylinder-Turbobenziner, 240 kW/326 PS, maximales Drehmoment: 450 Nm bei 1.380 bis 5.000 U/min, Achtgang-Wandlerautomatik, Vmax: 250 km/h, 0-100 km/h: 5,1 s, Durchschnittsverbrauch: 6,6 l/100 km, CO2-Ausstoß: 154 g/km, Preis: ab 52.150 Euro

Der BMW 2002 Turbo war in den Siebzigern revolutionär, das Vierer Gran Coupé mit aufgeladenem Sechszylinder ist es so gar nicht, passt aber gedanklich zum Ur-Turbo. Der viertürige Beau mit dem Topmotor ist der smarte Gegenpol des rebellischen 2002ers von damals. Beide Mittelklässler haben Feuer und machen ähnlich viel Laune – auf ihre jeweils eigene Art.

Fazit
Der BMW 2002 Turbo war in den Siebzigern revolutionär, das Vierer Gran Coupé mit aufgeladenem Sechszylinder ist es so gar nicht, passt aber gedanklich zum Ur-Turbo. Der viertürige Beau mit dem Topmotor ist der smarte Gegenpol des rebellischen 2002ers von damals. Beide Mittelklässler haben Feuer und machen ähnlich viel Laune – auf ihre jeweils eigene Art.
Testwertung
4.5 von 5

Quelle: Autoplenum, 2016-11-09

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