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Testbericht

11. Juli 2013
Toronto (Kanada), 12. Juli 2013 - Entscheidend ist, was hinten rauskommt: Das wusste schon Helmut Kohl, seines Zeichens bekennender S-Klasse-Nutzer, allerdings bevorzugt auf dem Beifahrersitz. Vielleicht würde der Altkanzler bei der Neuauflage des Luxus-Mercedes in den Fond wechseln. Dort spielt nämlich bei der Baureihe 222 künftig die Musik. Im Mittelpunkt der Entwicklung stand die intern V 222 genannte Langversion mit 13 Zentimeter mehr Radstand. Ein Zugeständnis an die Exportmärkte, wo die bisherige Langversion bis zu 70 Prozent der Verkäufe ausmacht. Anders formuliert: Der solvente Chinese sitzt lieber hinten. Aber auch ein weiteres Ziel stand im Lastenheft ganz weit oben: Die neue S-Klasse soll technische Duftmarken setzen. So wie einst, als die Vorgängermodelle ABS, ESP oder den Airbag salonfähig machten. Das Beste oder nichts: Kann der Ober-Benz das Marken-Motto umsetzen? Gut verpackte zwei Tonnen Ich schlüpfe dazu in die imaginäre Rolle von James, dem diskreten Chauffeur. Schon seit vielen Jahren sitze ich hinter dem Lenkrad diverser S-Klasse-Langversionen, um den schwer beschäftigten Chef durch die Weltgeschichte zu fahren. Neu sind die XL-S-Klassen übrigens nicht, schon bei beim ersten offiziellen S anno 1972 gab es auf Wunsch einige Zentimeter mehr. Über 40 Jahre später streckt sich die Lang-Limousine auf 5,25 Meter, die Breite beträgt 1,90 Meter. Das sind einige Zentimeter mehr als beim seinerzeit heiß umstrittenen W 140 von 1991, doch über dessen Urenkel regt sich keiner auf. Vielleicht liegt es daran, dass die Mercedes-Designer einen besseren Tag hatten und der neuen S-Klasse ein sportlich-elegantes Kleid geschneidert haben. Der optische Einfluss des Vorgängers W 221 ist nicht zu übersehen, jedenfalls wirkt der Wagen weniger feist, als es die Abmessungen nahe legen. Mercedes ist übrigens stolz darauf, das Gewicht um bis zu 100 Kilogramm reduziert zu haben. Klingt toll, hat aber bestenfalls einen Effekt wie einst drei Wochen Diät bei Helmut Kohl. Als Chauffeur blicke ich natürlich noch in den Kofferraum, 510 Liter passen hinein. Den Deckel elektrisch zu schließen, kostet indes wie viele Extras bei der S-Klasse Aufpreis. Ganz großes KinoDoch mein Chef hat sich bei den Optionen nicht lumpen lassen. Geschmack lässt sich freilich nicht mit Geld kaufen: Der Innenraum unserer S-Klasse strahlt in einer Mixtur aus hellem Leder mit silbrig glänzendem Eschenholz. Klar habe ich ihn noch gewarnt, wie schnell das verschmutzt. Aber wer zahlt, hat recht. Und dreimal dürfen Sie raten, wer alles putzen darf. Sei es drum, dafür lässt mein Arbeitsplatz kaum Wünsche offen. Ich blicke auf zwei gigantische 12,3-Zoll-Bildschirme. Links werden Drehzahlmesser und Tacho künstlich animiert, dazwischen ist viel Platz für Infos aller Art. Rechts nimmt oft die Navi-Ansicht den meisten Platz ein, aber auf dem Bildschirm werden auch Medien ausgewählt oder Fahrzeugeinstellungen vorgenommen. Zu diesem Zweck befindet sich auf der Mittelkonsole ein großer Dreh-/Drücksteller, darüber postieren sich Direktwahltasten für die wichtigsten Funktionen. Doch ich kann Ihnen verraten, dass schon Überstunden fällig waren, um alle Punkte des Menüs durchzugehen. Etwas Eingewöhnung braucht es allemal, wenn viele Extras an Bord sind. Einige Dinge sind selbst für mich neu: beheizbare Armlehnen in den Türen etwa. Oder die Wärmeverteilung der Sitzheizung. Zusätzliche Beduftung der Innenraumluft oder eine Massage? Alles machbar. An der Materialauswahl und der Verarbeitung im Cockpit gibt es nichts auszusetzen. Doch halt, zwei Dinge sind mir schon aufgefallen: Den billigen Automatik-Wählhebel kenne ich aus der A- und B-Klasse, zudem sieht die schwarzglänzende Umrandung der Instrumentendisplays auch nicht gerade prickelnd aus.
Wer kann, sitzt hinten Richtig zugeschlagen hat der Boss freilich im Fond. Über 12.000 Euro waren allein fällig, damit sich mein Brötchengeber im Fond räkeln und klimatisieren kann. Das sieht dann wie folgt aus: Er kann von seinem hinteren Einzelsitz aus den Beifahrersitz nach vorne und etwas nach oben schieben. Wichtig für mich ist die rechtzeitige Entfernung der Kopfstütze, sonst wird der Außenspiegel verdeckt. Aus dem Beifahrersessel klappt eine Fußstütze für den hinteren Passagier heraus. Nun stellt Chef seinen Sitz immer flacher und erreicht eine fast liegende Position. Fehlt nur noch wie im Flugzeug ein Tisch, den er zum Arbeiten aus der Mittelarmlehne ziehen kann. Kein Problem, ist dabei. Oder er sucht sich eine von sechs Massagefunktionen aus und nickt darüber ein. Oder er steuert den Monitor vor ihm per Smartphone-App, um Sitze und Entertainment einzustellen. Zu diesem Zweck ist ein Hi-Fi-System von Burmester mit 24 Lautsprechern an Bord, für dessen Gegenwert es schon einen neuen Dacia gäbe. Aber ob der so sensationell klingt? Bevor Sie fragen: Ich habe mich auch mal in den Fond setzen dürfen, aber mit meinen 1,88 Meter liege ich dort mit zu stark angewinkelten Beinen. Daher habe ich die bis zu 43,5 Grad Lehnenneigung des Sitzes nicht voll ausgenutzt. Doch auch bei steilerer Lehne ist es bei vorgeschobenem Beifahrersitz sehr angenehm, im gigantischen Fußraum die Beine übereinander zu schlagen. Dazu eines von zwei Hot-Stone-Massageprogrammen im Kreuz, deren Wirkung freilich Mercedes etwas zu sehr über den Klee lobt. Trotzdem: Angesichts dieser Luxus-Lounge braucht es wirklich keinen Maybach mehr. Da nagelt nix Bei den Motoren ist die Auswahl zum Marktstart noch überschaubar: Zur Dieselversion S 350 Bluetec gesellen sich der S 400 Hybrid und der S 500. In kommenden Monaten ergänzen dann der S 600 mit V12, die AMG-Versionen, der S 300 Diesel-Hybrid mit Vierzylinder und ein Plug-in-Hybrid das Portfolio. Der bisherige S 250 CDI entfällt hingegen, sein Triebwerk lebt im erwähnten Diesel-Hybrid weiter. Bei seiner Motorenwahl hat sich mein Chef offenbar von den Genen seiner schwäbischen Großmutter lenken lassen, denn er bestand auf dem S 350 Bluetec. Keine schlechte Wahl, wie ich finde, denn der V6-Diesel stellt schon ab 1.600 Touren stämmige 620 Newtonmeter bereit. Sehr viel besser macht es der fast 200 PS stärkere S 500 auch nicht. Beide haben übrigens "nur" eine Siebengang-Automatik an Bord, die sich gelegentlich mit dem Hochschalten etwas zu viel Zeit lässt. Von dem Selbstzünder unter der Haube ist dennoch kaum etwas zu hören, aber die serienmäßige Start-Stopp-Funktion dürfte ihn gerne noch etwas sanfter wieder anlassen. Dafür stimmt der Verbrauch. Klar, wer beim Kauf sechsstellige Summen in eine S-Klasse versenkt, dürfte an der Tankstelle sowieso keine Ölkrise kriegen. Doch 6,2 Liter bei konstant 120 km/h sind mal ein echtes Wort. Nur zur Erinnerung: Früher war das bei der S-Klasse der Hubraum, nicht der Verbrauch. Auto-Piloten Konstant 120 sind übrigens kein Problem, denn unser S 350 Bluetec hat viele Assistenten an Bord, die mir das Leben einfacher machen. Einer davon ist der Tempomat mit automatischer Abstandsregelung, Lenkassistent und Stop&Go-Pilot. Soll heißen: Wenn ich mal von mehr Gehalt träume, lenkt mich das System diskret zurück in die Spur und folgt im Stau automatisch dem Vordermann. Ich könnte also die S-Klasse auch mit zwei Fingern lenken, dagegen protestiert aber das System. Wobei die Lenkung überraschend direkt ausgelegt ist, die serienmäßige Luftfederung aber auch. Ziemlich straff rollt die so genannte "Airmatic" über grobe Unebenheiten hinweg, ohne das die S-Klasse freilich zur Rumpelkammer wird. Besser zum noblen Anspruch passt die "Magic Body Control", die es aber nur für den S 500 gibt. Per Stereokamera werden Unebenheiten registriert und das Fahrwerk im Voraus eingestellt. Der Eindruck ist frappierend getreu dem Motto: Schwelle? Welche Schwelle? Aber das System arbeitet nicht komplett über den ganzen Geschwindigkeitsbereich und nachts gar nicht. Die mehr als 5.000 Euro Aufpreis müssen also nicht sein.
Einmal alles, bitte! Dann schon eher das Park-Paket für 1.345 Euro. Wie von Geisterhand wird die große S-Klasse in Querparklücken rein- und rausgezirkelt, längs geht es nur hinein. Und ich habe mich damals über die bizarren Peilstäbe des W 140 mokiert! Doch egal, wie die Nummer der Baureihe lautet, ein Schnäppchen war und ist sie nicht. 85.323 Euro kostet ein S 350 Bluetec in der Langversion, inklusive sind immerhin LED-Scheinwerfer (Glühbirnen hat Mercedes komplett eingemottet), eine Zwei-Zonen-Klimaautomatik und ein Navigationssystem. Aber die Aufpreisliste ist mindestens so üppig wie das Platzangebot im Fond. Wer wie mein Chef rund zwanzig Kreuzchen macht, um die "große Hafenrundfahrt" zu buchen, ist mal eben fast 34.000 Euro zusätzlich los. Übrigens habe ich auch Prospekte vom Audi A8 und BMW 7er studiert. 81.700 Euro ruft Audi für den A8 L mit Dreiliter-Diesel und 250 PS auf, BMW möchte für den langen 730d mit 258 PS mindestens 80.400 Euro haben. Aber verraten Sie mich bloß nicht beim Boss!
Technische Daten
Antrieb:Hinterradantrieb
Anzahl Gänge:7
Getriebe:Automatik
Motor Bauart:Diesel mit Common-Rail-Direkteinspritzung
Hubraum:2.987
Anzahl Ventile:4
Anzahl Zylinder:6
Leistung:190 kW (258 PS) bei UPM
Drehmoment:620 Nm bei 1.600 - 2.400 UPM
Preis
Neupreis: 85.323 € (Stand: Juli 2013)
Fazit
In Sachen Luxus und Komfort hat die neue Mercedes S-Klasse den Rückstand souverän aufgeholt. Speziell das Fondangebot der Langversion macht deutlich, dass die Limousine zum "Maybach für alle" geworden ist. Beeindruckend, wenngleich nicht zwingend nötig, ist die Armada an technischen Systemen, die Mercedes auffährt. Innovationen wie das vorausschauende Fahrwerk und der Stau-Assistent erstaunen selbst erfahrene Tester. Der Slogan "Das Beste oder nichts" stimmt bei der S-Klasse tatsächlich. Für die nähere Zukunft hat sich Mercedes eine hohe Schlagzahl vorgenommen: mehr Motoren vom Plug-in-Hybrid bis zum fetten AMG, eine extralange Pullman-Version im Frühjahr 2014, im Sommer dann das Coupé. 2015 folgen dann ein viersitziges Cabrio und wahrscheinlich ein Shooting Brake. S ist kaum zu glauben. + enormes Platzangebot, laufruhige Motoren, innovative Assistenzsysteme - leicht nervöse Automatik, teilweise zu straffe Luftfederung
Testwertung
5.0 von 5

Quelle: auto-news, 2013-07-11

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