Aston Martin Rapide - Lust zu viert
Testbericht
Wer ihm in die Augen schaut, hat schon verloren und meint, den Boden
unter den Füßen zu verlieren. Im Gegensatz zum Porsche Panamera kann
sich zudem auch sein Hinterteil sehen lassen. Der Aston Martin Rapide ist
ein Lustbringer für vier, die es eilig haben.
Schnell, schön und begehrenswert – vier lange Jahre mussten die Fans
des Aston Martin Rapide auf die Umsetzung der Detroit-Studie aus dem
Jahre 2006 warten. Ende März / Anfang April ist es soweit. Die noch junge
Klasse der viertürigen Coupés hat ihr neues Aushängeschild. Der Rapide
betört Damen und lässt wohl betuchte Männer das geliebte Singledasein
für mehr als einen Augenblick vergessen. Endlich ein Aston Martin mit
Platz für vier – oder besser zwei plus zwei. Denn im Gegensatz zu
Konkurrenten wie Maserati Quattroporte, Mercedes CLS und besonders
Porsche Panamera bietet der grandios gezeichnete Aston Martin in der
zweiten Reihe allenfalls Platz für zwei schmal gewachsene Damen oder
den eigenen Nachwuchs. Geschäftspartnern oder selbst den
Schwiegereltern will man die engen Einzelsitze in der zweiten Reihe
allenfalls auf einen Kurztrip zum nächsten Tennisplatz zumuten. Aston-
Martin-Chef Dr. Ulrich Bez: „Wir bieten auch hinten Sportsitze. Das ist ein
völlig anderes Fahrgefühl als auf einer Bank.“ Da wird das Ein- und
Aussteigen zur Kletterpartie. Das Laderaum fasst 301 bis 750 Liter.
Der Grund für das überschaubare Platzangebot ist die sexy Schulter und
das scharf geschnittene Dachkontrukt des 5,02 Meter langen Rapide.
Wüsste man es nicht besser – der Brite wäre ein ganz normales
Sportcoupé mit langem Radstand, flacher Dachlinie und zwei Türen. Dabei
ist er schärfer geschnitten als alle seine Konkurrenten. Doch auch wenn
der Rapide als erstes Modell seit dem polarisierenden Lagonda vier Türen
und vier Sitzplätze bietet, stehen andere Werte im Vordergrund. So sieht
er nicht nur betörend schön aus, sondern ist mit seinem aus dem DB9
entliehenen V12-Triebwerk einer der schnellsten Viertürer der Welt. 350
KW / 477 PS und 600 Nm maximales Drehoment bei 5.000 Touren
ermöglichen nicht nur eine Beschleunigung von 0 auf Tempo 100 in
kaum mehr als fünf Sekunden, sondern auch eine Höchstgeschwindigkeit
jenseits der 300er-Marke.
Dass der Durchschnittsverbrauch bei so viel Tatendrang bei kaum unter
17 Litern auf 100 Kilometern liegen dürfte, scheint kaum zu stören. Ein
Achtzylinder, gegebenenfalls mit Turboaufladung, ist nach Aussagen von
Firmenchef Dr. Ulrich Bez derzeit nicht in Planung: „Wir bauen keine
billigen Autos. Für 1.000 Autos mehr im Jahr baue ich keinen Achtzylinder
in den Rapide ein.“ Auch muss die gut abgestimmte Sechsgang-Automatik
aus dem Hause ZF die Schaltarbeit übernehmen. Die achtstufige Version
mit Start-Stopp-Funktion, die gerade bei der Konkurrenz Einzug hält,
bleibt außen vor.
Der Aston Martin Rapide ist im Gegensatz zu Vantage, DB9 und DBS
kein waschechter Brite. Denn weil die Produktionskapazitäten im
Stammwerk Gaydon fehlen, wurde der Bau des Aushängeschildes zu
Karoseriespezialist Magna ins österreichische Graz gegeben. „Wir
können hier pro Jahr rund 2.000 Fahrzeuge bauen“, so der
Produktverantwortliche Kim Palmer, „in diesem Jahr rechnen wir mit
mindestens 1.600 verkauften Fahrzeugen.“ Die Idee für den Bau eines
viertürigen Coupés ist nicht neu. „Das kam mir erstmals 1998 in den
Sinn“, erinnert sich Bez, der erst zwölf Jahre bei Aston Martin das Ruder
übernahm, „2005 kam die Idee denn wieder hoch.“ Man brauchte ein
Fahrzeug, um zukünftigen Investoren den Mund nach Aston Martin
wässrig zu machen, denn Ford plante den Verkauf der britischen
Nobelmarke. „Wir waren 2006 die ersten, die ein solches Fahrzeug
gezeigt haben“, unterstreicht der Aston-Martin-Chef den frühen
Zeitpunkt der Premiere. Doch die Abspaltung von Ford kostete viel Zeit
und die Konkurrenz gab mächtig Gas. Selbst Hauptwidersacher Porsche
überholte den Rapide mit seinem Panamera im letzten Jahr. „Unter
Ford hätten wir Projekte wie den One77 oder den Rapide nicht
hinbekommen“, gibt sich Dr. Ulrich Bez zufrieden, „nun haben wir den
Vorteil unabhängig zu sein und uns bei Entwicklung und Produktion bei
jedem bedienen können.“
Das Ergebnis kanns sich nicht nur sehen, sondern insbesondere auch
fahren lassen. Der Rapide ist ein sportlicher Gleiter, dessen
Fahrwerksabstimmung keinen Vergleich scheuen muss. Lange Geraden,
Wechselkurven und Bergstraßen – der Rapide ist auch hier ein
Lustbringer. Wer es härter will, kann mit einem Sportprogramm und
elektronischen Dämpfern jederzeit nachschärfen. Die Lenkung ist präzise;
jedoch auf Langstrecken nicht zu spitz und die Bremsen sorgen für die
Verzögerung, die sich der ambitionierte Pilot von seinem Sportler
wünscht. Der Rapide hätte das Zeug zum echten Sportler – hätte er nicht
1.980 Kilogramm Leergewicht auf den Rippen. Trotz steifer Aluminium-
Karosse, 20-Zöllern und dem souveränen Fahrwerk kann der Hecktriebler
das im Grenzbereich nicht völlig überspielen.
Dabei setzen die Aston-Verantwortlichen in erster Linie auf das Design des
Brit-Beaus. „Der Rapide ist der eleganteste Viertürer der Welt“, lässt Chef-
Entwickler Ian Minard gedankliche Flirts an Schönheiten wie Quattroporte
oder CLS gar nicht erst aufkommen. Innen wie außen betört der Viertürer
Liebhaber und Konkurrenten gleichermaßen. Ebenso filigran wie das
Außendesign präsentieren sich Sitze, Bedienelemente und
Lederoberflächen im Innenraum. Auch wenn es im Fond für die
Passagiere allzu eng zugeht: ein Blick durch die rahmenlosen Scheiben
zeigt Annehmlichkeiten wie Sitzklimatisierung, DVD-Entertainment und
einen getrennte Klimaregelung. Kim Palmer: „Wir wollten nur das Beste
vom besten.“ Das dürfte der geneigte Fahrer überrascht sein, dass
klassenübliche Ausstattungsdetails schlicht ausgespart wurden. So bietet
der Aston Martin Rapide trotz eines Preises von 180.000 Euro weder
Abstandstempomat, Überhol- oder Spurhalteassistent noch
Selbstverständlichkeiten wie einen schlüssellosen Zugang oder eine
elektrische Heckklappe – nicht einmal gegen Aufpreis.
































