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Testbericht

Peter Maahn/SP-X, 2. Juni 2016

Nissan hat nach neun Jahren sein heißestes Modell runderneuert. Das Design des Allrad-Sportwagens GT-R wurde behutsam aktualisiert, um die Aerodynamik und die Effizienz zu verbessern. Der 3,8 Liter-Sechszylinder mit Doppelturbo leistet jetzt 417 kW/570 PS und damit 20 PS mehr als der Vorgänger. Auch der Innenraum des bis zu 315 km/h schnellen Japaners wurde deutlich veredelt, entspricht nun den Ansprüchen der betuchten Kundschaft. Schließlich kostet der GT-R mindestens 100.000 Euro.

Schwarzgraue Regenwolken kriechen über die bewaldeten Hügel der Ardennen, öffnen genau über der berühmten Rennstrecke von Spa ihre nassen Pforten. Von nun an zieht der flache Renner lange Gischtfahnen hinter sich her. Der neue Nissan GT-R, einer der letzten echten Sportwagen, gehört nun mal bei jedem Wetter auf die Piste. Schließlich hat er Allradantrieb, diverse elektronische Hilfen und eine mitdenkende Doppelkupplungs-Automatik, die es trotz des schmierig-schwierigen Geläufs immer wieder schafft, zumindest einen großen Teil der unbändigen Kraft auf die Straße zu bringen.

In der neuen Zeit der Elektromobilität, der bald selbstfahrenden Autos, des Car-Sharing und der allerorts drohenden Tempolimits und rigiden Umweltzonen fällt es nicht leicht, einem so starken, teuren und schnellen Sportwagen die angemessene Referenz zu erweisen. Natürlich ist der Nissan GT-R ein Relikt des Gestern, als die Welt noch eine andere war. So ein Auto braucht eine Unmenge an fossilem Sprit, beansprucht viel zu oft die linke Spur der Autobahnen und schafft es umgehend in die Schlagzeilen oder auf Facebook-Seiten, wenn ein allzu forscher, aber nicht wirklich begabter Nutzer in der Leitplanke landet.

Und doch gerät Hiroshi Tamura, der Chefentwickler des Super-Nissan, in recht un-japanische Verzückung, wenn er über seine Schöpfung spricht. Zum Beispiel über die Takumi genannten Handwerksmeister, die den Hochleistungsmotor weitgehend von Hand zusammenbauen und ihr Werk dann mit einer Namens-Plakette adeln. Über das Tüfteln an der Aerodynamik wie an den seitlichen  Schwellerlippen, die den Luftstrom unter dem Wagenboden so lenken, dass sich die Stabilität des ganzen Autos erhöht. Der Ingenieur berichtet von der verbesserten Beatmung des Sechszylinders, die einen deutlich größeren Kühlergrill bedingt, der so zum einem optischen Erkennungsmerkmal des neuen GT-R wird.

Aber auch Hiroshi Tamura weiß, dass die künftigen Besitzer sich wohl ebenso selten auf abgesperrte Rennstrecken wagen wie SUV-Eigner abseits fester Straßen. Deshalb ist „sein“ GT-R eigentlich zwei Autos: Ein alltagstaugliches Coupé mit einem durchaus komfortablen Fahrwerk und einer Automatik, die recht früh hochschaltet und die bullige Durchzugskraft von immerhin 638 Newtonmetern nur ausreizt, wenn es ans Überholen geht. Dabei sitzen die beiden Passagiere hinter einem mit Nappaleder bespannten Armaturenbrett auf neu geformtem Gestühl, das auch dank seiner fein gesteppten Nähte hochwertig anmutet. „Noch nie in der langen Geschichte unserer GT-R-Modelle konnten sich die Insassen so wohl fühlen“, sagt Tamura. Was allerdings nicht für die beiden Rücksitze gilt: Sie sind wirklich nur für sehr jugendliche, noch nicht schulpflichtige Mitreisende geeignet.

Sticht den Fahrer der Hafer lassen sich mit Hilfe von drei kleinen Wippen unterhalb des Acht-Zoll-Monitors die grimmigen Seiten des von seinen Fans ebenso liebevoll wie ehrfürchtig „Godzilla“ getauften GT-R erwecken. Ähnlichkeiten mit dem ungestümen Auftritt des schuppigen japanischen Filmmonsters sind durchaus gewollt. Ein beherzter Tritt aufs rechte Pedal sorgt dafür, dass sich die Nadel des zentralen angeordneten Drehzahlmessers der Zahl 7.000 nähern kann, ehe der nächste der sechs Gänge an die Reihe kommt. Dabei ist der Sound stets kraftvoll, aber nie penetrant. Dass der Nissan auf exzellente Bremsen ebenso vertrauen kann wie auf eine zupackende, zielgenaue Lenkung versteht sich bei dieser Spezies von Autos von selbst.

Und wieder meldet sich die innere Stimme, die zur Sozialverträglichkeit der Fortbewegung mahnt und das schlechte Gewissen aktiviert, wenn sich die Tachonadel scheinbar mühelos weit jenseits der 250 km/h-Marke tummelt. Natürlich ist der GT-R nicht gegen plötzlich ausscherende LKW immun, natürlich sorgt die rasante Autobahn-Annäherung beim Vordermann im ganz normalen Mittelklassewagen für einen erschrockenen Blick auf die stechenden LED-Augen im Rückspiegel. Aber: Menschen, die 100.000 Euro und mehr für ein an sich unpraktisches Auto mit viel zu kleinem Gepäckabteil (315 Liter) übrig haben, sollten den Flegeljahren längst entwachsen sein. Sie werden die magischen Schalter wohl nur dann nutzen, wenn sie einer deutlich jüngeren Mitfahrerin die eigene Jugendlichkeit demonstrieren wollen.

Oder sie werden eben doch am Wochenende eine abgesperrte Rennstrecke ansteuern, die mit strengen Regeln, weiten Auslaufzonen und Reifenstapeln an kritischen Ecken für Sicherheit sorgt. Auch hierfür wurde der GT-R geboren, heimste über die Jahre hinweg in speziellen Versionen Pokale und Rundenrekorde ein. Schon längst muss sich Nissan nicht mehr vor den deutlich teureren Porsche oder diversen AMG-Mercedes verstecken. Selbst Nicht-Rennfahrer können unter Anleitung eines mitreisenden Profis die Fliehkraft spüren, die berühmte Eau-Rouge-Kurve von Spa souverän und ziemlich flott durcheilen oder am Ende der langen Gerade vor der legendären Bus-Stopp-Schikane die Bremsen auf die Probe stellen. Und auf dem Monitor kann dann die eigene Leistung bewundert und analysiert werden. Wie schnell war ich in den Kurven, wie war meine Bremsleistung und manches mehr. Der GT-R als Männerspielzeug mit Suchtgefahr.

Wir alle, die sich so ein Geschoß wohl nie werden leisten können oder wollen, dürfen beruhigt sein: Pro Jahr werden in Deutschland kaum mehr als 150 GT-R neu zugelassen. Die Chance, dem neuen Nissan in freier Wildbahn zu begegnen, ist also recht gering.

Nissan GT-R – Technische Daten:
Zweitüriges Coupé, 2+2 Sitze, Länge: 4,71 Meter, Breite (ohne Außenspiegeln): 1,90 Meter, Höhe: 1,37 Meter. Radstand: 2,78 Meter, Wendekreis: 12,10 m. Leergewicht: 1.750 kg, Kofferraumvolumen: 315 Liter.
Antrieb: Sechszylinder-Benziner mit Bi-Turbo, Hubraum: 3.799 ccm, 419 kW/570 PS, maximales Drehmoment: 637 Nm bei 3.000 – 5.800 U/min., Sechsgang-Doppelkupplungsgetriebe, Allradantrieb. Vmax: 316 km/h, 0-100 km/h in weniger als 3 Sekunden, Durchschnittsverbrauch: 11,8 l/100 km,CO2-Ausstoß: 275 g/km, Effizienzklasse G.
Grundpreis: ab 99.900 Euro

Warum: Weil er einfach Spaß macht
Warum nicht: Weil ein Porsche mehr Prestige verspricht
Was sonst: Porsche Turbo, Mercedes AMG GT

Fazit
Jenseits der Vernunft gibt es eine Reihe Fahrzeuge, die ungemein Spaß machen, und ihrem Eigner nicht nur monetär einiges abverlangen. Eines davon kommt ausgerechnet von der sonst so vernünftigen E-Auto-Vorreitermarke Nissan.
Testwertung
5.0 von 5

Quelle: Autoplenum, 2016-06-02

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